von links: Stefan mit seinen Jiu Jitsu-Pokalen, Mama Karin Riesner, Julia und Wolfgang: „Wir wünschen uns mehr solche Menschen wie Maria Rettenbacher und Günter Grill vom Verein No Problem Baden!“
Es ist bald 21 Jahre her. Drei Tage nach der Entbindung hatte man der Badenerin Karin Riesner – völlig überraschend – mitgeteilt, dass ihr neugeborener Sohn Stefan am Down-Syndrom, einer Chromosomenstörung, leide. Karin Riesner nahm ihr Schicksal an – und wurde zur engagierten Kämpferin für soziale Integration von Behinderten.
Menschen mit Downsyndrom zeichnen sich u.a. durch besondere Herzlichkeit aus. Wir sitzen im Wohnzimmer der Familie Riesner am Schießgraben. Stefan, fast 21, drückt seiner Mutti ein Bussi auf die Wange. Welcher junge Mann sonst würde das tun, einfach so?
„Seit Stefan eine Freundin hat, bin ich eh nur mehr die zweite Geige,“ lächelt Karin Riesner. Stefan war das erste behinderte Kind in Baden, das in den Genuss der sozialen Integration kam. Karin Riesner hat bei Behörden und Mitmenschen für diese umstrittene Idee gekämpft, die sich heute schulisch längst etabliert hat. Für Stefan sind viele Kontakte aus seiner Schulzeit geblieben. Freundschaften hat Stefan aber eher zu anderen behinderten Gleichaltrigen entwickelt, vor allem in seinem Behinderten-Sportclub Activity in Sollenau. Auch Arbeit hat er gefunden – in der Küchengruppe in der Lebenshilfe-Werkstätte Mariengasse in Baden und am Buffet im Theater am Steg. Und dort lernte Stefan auch seine Freundin Amra kennen. Was er sich für die Zukunft wünscht? „Die Hochzeit,“ sagt er – und seine Mutter lacht: „Er wäre er der erste junge Mann mit Downsyndrom in Baden, der wirklich heiratet.“
Schwester Julia
Stefan hat eine jüngere Schwester, Julia, 9. Auch sie hat das Downsyndrom. Karin Riesner entschloss sich, das Mädchen gleich nach seiner Geburt zu adoptieren. „Ich wollte noch einem zweiten Kind die Chance auf eine gute Entwicklung geben,“ sagt Karin Riesner. Die Zeiten für behinderte Kinder und ihre Eltern sind deutlich besser geworden.
Es war nie leicht
Leicht hatte es Karin Riesner trotzdem nie. Als Stefan 14 war, ging ihre Ehe in Brüche. „Ich musste anfangen, arbeiten zu gehen, aus purem Überlebenstrieb, wegen der Krankenversicherung!“ Heute hat Karin Riesner eine leitende Position bei der Lebenshilfe in Sollenau. Trotz der Mehrfachbelastung ist die Arbeit für sie auch ein psychischer Ausgleich geworden.
Um Kinderbetreuung musste sie sich kümmern wie jede andere Alleinerzieherin auch. Nur war es viel schwieriger, Betreuung für Kinder mit Down-Syndrom zu finden. „Integrative schulische Nachmittagsbetreuung gibt es in Baden leider noch nicht. Da wäre Aufholbedarf. Aber man müsste halt eigene Betreuer dafür einstellen, das kostet Geld.“
Nach 2 Jahren der Suche gibt es nun im Hause Riesner eine Tagesmutter und ein unterstützendes Aupair-Mädchen. Unterstützung kommt auch von der 25-jährigen Daniela, Karin Riesners ältester Tochter, die schon ausgezogen ist.
Leben umgekrempelt
Hilfe kommt auch von Karin Riesners neuem Lebensgefährten Wolfgang. Er musste sein Leben total umkrempeln. „Ich habe gelernt, dass Kinder mit Down-Syndrom zwei Dinge brauchen: Geduld und Konsequenz,“ erzählt Wolfgang. „Und weil solche Kinder keinen Zeitbegriff haben, muss man lernen, Sätze wie ‚Ich komm gleich‘ aus dem Wortschatz zu streichen. Man darf diese Kinder in ihrem Zeitloch nicht allein lassen. Das wäre eine Katastrophe.“
Die Tage sind entsprechend durchorganisiert. Jeder weiß, wann wo jemand zu finden ist. Was ausgemacht ist, muss halten. Platz für Spontanäität ist kaum. Das würden die Kinder nicht verstehen.
Ein Gedanke zu „Leben mit dem Down-Syndrom“