Es gab schon lange keinen Polizeibericht, der mich so erschttert hat, wie der jngst bekannt gewordene Missbrauchs-Fall in Amstetten. Mit dieser Erschtterung bin ich wohl kein Einzelfall.
Da ja erst krzlich mein erstes Buch verffentlicht wurde, das sich ebenfalls mit sexueller Gewalt befasst, bin ich besonders betroffen.
Nicht selten haben mich nmlich beim Verfassen meines (durchaus drastischen) Textes Zweifel befallen, ob denn nicht Situtationen, wie ich sie in Hundeleben beschreibe, nicht doch zuuu drastisch seien. Zu unrealistisch vielleicht? Mein Ziel war ja, die psychischen Mechanismen eines Opfers darzustellen.
Obwohl ich aufgrund von statistischen Zahlen, Berichten von Betroffenen und Psychologinnen wei, dass das Thema sexuelle Gewalt wahrscheinlich immer noch schwerstens unterschtzt wird, will ja ein anderer Teil in mir nicht glauben, dass es mglich ist. Will nicht verstehen, was in den (ganz „normalen“) Ttern vorgeht. Will das ganze Ausma nicht glauben.
Wieder wurde ich eines Schlechteren belehrt.
Und wie immer in solchen Fllen stellt sich die Frage: Wie konnte so etwas passieren? Der Ruf nach Prvention wird einige Wochen lang laut erschallen und versickert wieder.
Um Sexualitt, um Triebe etc. geht es wie in praktisch allen derartigen Fllen wohl sicher nicht. Da wird einfach nur Macht ausgebt. Dass jetzt in der Berichterstattung berwiegend Mnner aus Polizei, Justiz, Medizin und Psychiatrie zu Wort kommen, spiegelt leider die herrschenden Machtverhltnisse wider. Auch die Tatsache, dass Landeshauptmann Dr. Erwin Prll die N‑Gewaltschutzexpertin Eva Plaz als Opfer-Anwltin ausgebootet hat und statt dessen den Opfern einen von ihm selbst finanzierten Wirtschafsanwalt zur Verfgung stellt, finde ich in hchstem Mae bedenklich und muss Justizministerin Berger Recht geben, die diesen Vorgang kritisiert. Das (berwiegend) mnnliche Expertentum rund um ein (berwiegend) „weibliches“ Thema ist einfach unertrglich. Das ist nicht die „Lsung“ des Problems, sondern in Wahrheit seine Fortsetzung auf einer anderen Ebene.
Die einzige Schlussfolgerung, die ich fr mich bisher ziehen konnte, ist:
Die patriarchalen Machtverhltnisse (gesellschaftlich aber auch in der Familie) gehren gendert. Denn jegliche Macht-Strukturen verleiten letztlich zur Ausbeutung der Schwcheren, in welcher Hinsicht auch immer.
Dazu bedarf es wohl mehrerer Entwicklungen:
Einerseits mssen die Opfer darber sprechen lernen, was ihnen passiert. (Die Sprachlosigkeit ist ja auch Thema meines Buches, wo ich anstelle der Betroffenen ein Stofftier sprechen lasse ). Sie mssen aber auch ernst genommen werden (Wer glaubt Kindern? Wer vertraut eigenen unguten Gefhlen? Habe ich mir beim Schreiben immer selbst geglaubt? Wollte ich nicht doch abschwchen, nicht so drastisch zuspitzen? Wer wrde z.B. einem Verdacht nachgehen, wenn eine Person ein vages ungutes Gefhl z.B. bei einem Lehrer hat?) Andererseits erwarte ich mir einen Aufschrei der (nicht involvierten) Mnner. Sie mssen auf Macht verzichten (d.h. auch auf die guten beruflichen Positionen und auf gute Einkommen), sie mssen sich mit ihren Gefhlen auseinandersetzen, sie mssen wesentlicher reden. Es braucht Prventionsprogramme gezielt fr Mnner. Denn es kann doch auch nicht im Interesse der Mnner sein, pauschal als „Sexmonster“ dazustehen. (Tter in Gewalt-Fllen sind berwiegend Mnner)
Fragen von (wirtschaftlich uerst profitabler) Pornographie, Prostitution und Frauenhandel spielen da eigentlich auch schon hinein. Es ist ein extrem komplexes Thema, das unsere gesamte Gesellschaft auf schauerliche Weise „durchwebt“ – unter grbster Ausbeutung/Misshandlung von Frauen und Kindern. Ein tagtglich stattfindender, allgemein geduldeter Skandal.
Wenn man in Dunkelziffern davon ausgeht, dass es jhrlich in sterreich bis zu 25.000 Flle von Missbrauch und sexualisierter Gewalt an Kindern gibt, davon aber nur ein paar tausend zur Anzeige gelangen und davon wieder nur ein paar hundert mit einem klaren Urteilsspruch enden, lsst sich die unfassbare Dimension dieses gesellschaftlichen Problems erahnen.
Ich finde, alle Menschen, die mit Kindern/Jugendlichen zu tun haben, brauchen in ihrer Ausbildung einen Schwerpunkt, der sich mit dieser unbequemen Thematik befasst, brauchen eine gezielte persnliche Auseinandersetzung. Und das kann nur ein Anfang sein. Auch der Versuch, solche Fragen knstlerisch/literarisch zu thematisieren, ist wichtig. Es ist jedenfalls hchste Zeit, das Tabu zu brechen, auch im Sinne der tausenden und abertausenden Flle, die nie bekannt werden…