Er ist ein waschechter Vöslauer mit tirolerischem Akzent: Herbert Witzmann feierte kürzlich seinen 60. Geburtstag. Er führt in der vierten Generation das traditionsreiche Hotel Stefanie am Badplatz. Anlass, sich mit seinen Gedanken zum Thema Tourismus in und um Bad Vöslau auseinanderzusetzen.
Das Hotel Stefanie, eröffnet 1896, ist längst eine Institution. Wohl das letzte große Haus in der Thermenregion, das noch immer in Familienbesitz ist. Wie behauptet man sich da in Zeiten von Großkonzernen und Wirtschaftskrise?
Herbert Witzmann: Ich war und bin ein ewiger Kämpfer, habe mich hochgekämpft, Erfahrungen in Kitzbühel und im Ausland gesammelt. Ich betreibe das Hotel Stefanie aus einer Position der Stärke heraus, weil sich eine Familie ihrem Besitz und ihrem Unternehmen viel konzentrierter und persönlicher widmen kann.
Sie haben seit 1977 ständig liebevoll und sorgfältig in das „Stefanie“ investiert, das heute als Schmuckkästchen und auch als ein Ort der modernen Kunst dasteht. Fühlen Sie sich durch das Kurzentrum, das neben Ihrem Haus ruckzuck und lieblos aus dem Boden gestampft wurde, irritiert? Immerhin ist Ihr Hotelbrunnen seither trocken gefallen…
Witzmann: Tja, ein leidiges Problem. Seit diesem unseligen Neubau ist mein Brunnen ausgetrocknet. Er wird als Entschädigung vom Kurzentrum aus mit einem Schlauch befüllt, absurd, nicht? Bis heute hat das Kurzentrum keine wasserrechtliche Bewilligung. Doch niemand redet mehr darüber. Mir kommt es pervers vor, wenn in Werbeprospekten von „sprudelnder Gesundheit“ die Rede ist. Da sprudelt nichts mehr. Die einzige Quelle hier im Zentrum, die Stefaniequelle, ist versiegt.
Die Gemeinde freut sich allerdings über das Kurzentrum und fördert es auch großzügig. Erst unlängst wurde wieder eine Steigerung bei den Nächtigungen vermeldet.
Witzmann: Die Anzahl der Nächtigungen ist für mich kein wesentliches Kriterium. Man sollte mehr auf Qualität als auf Quantität setzen. Bad Vöslau bekommt kein besseres Image durch Kur-Touristen in Trainingsanzügen aus Plastik, die mit Dumpingangeboten ins Kurzentrum gelockt werden, wo sie einen Plattenbau im alten DDR-Stil vorfinden und eine ausgetrocknete künstliche Natur.
Schadet das Kurzentrum dem „Stefanie“?
Witzmann: Nein, ich finde ja das Wort „Kurzentrum“ prinzipiell gut. Hier rund um den Badplatz ist nun mal das Vöslauer Kurzentrum, man muss es nur so sehen. Im Jänner 2009 gab es in unserem Haus im Vergleich zum Jänner 2008 eine 33%ige Umsatzsteigerung. Ich muss erst noch analysieren, wo da die Ursachen liegen. Was mich aber stört, ist, dass das Kurzentrum von der Gemeinde auf Händen getragen wird, ein Traditionshaus wie das Stefanie aber in diversen Werbeprospekten kaum Platz eingeräumt bekommt.
Was würde denn dem Image von Bad Vöslau gut tun?
Witzmann: Die Stadt hat so viele unglaubliche Stärken – so viel Geschichte, ein einzigartiges Thermalbad, viele alte Villen, viel Wald, eine zentrale Lage nahe von Wien, Semmering und Neusiedlersee. Würde es hier auch nur einen einzigen Tourismus-Experten geben, er könnte einen schlafenden Riesen wecken. Bad Vöslau braucht Visionen und sinnvolles Marketing anstatt Klein-Klein-Dahinwurschtelei und provinzielle Events, die nur dazu dienen, bei der nächsten Wahl Stimmen zu sichern.
Passt eine Moschee in die Kurstadt Bad Vöslau?
Witzmann: Dazu will ich mich nicht näher äußern. Extreme Positionen halte ich für nicht sinnvoll. Ich bemerke in meinem Haus eine Zunahme an Touristen und Geschäftsreisenden aus dem arabischen Raum. In Zukunft gesehen, kann die Moschee auch eine touristische Chance sein.
Sie haben auch Erfahrungen in der Tourismusregion Kitzbühel gesammelt. Was läuft dort anders und besser als in Bad Vöslau?
Witzmann: Erstens wird dort die ganze Region professionell vermarktet. Unter anderem ist das dadurch möglich, weil die Kurtaxe an den Tourismusverband fließt, der sich um das Marketing kümmert. Wir zahlen hier pro Tag und Gast bereits 1,15 Euro Kurtaxe. In der ganzen Thermenregion kommen so ca. 2 Millionen Euro pro Jahr zustande. Würde dieses Geld einem Tourismusverband Thermenregion zur Verfügung stehen, könnte man einen Tourismus-Profi engagieren und in internationale Werbung investieren. Hier fließt die Kurtaxe in die Gemeindekasse, und das wars. Es ist doch traurig, dass man im Ausland nur das Vöslauer Wasser kennt und nicht einmal richtig einen Ort damit verbindet. Auch hier sehe ich Entwicklungsbedarf: Vöslauerwasser ist Marktführer – und offenbar nicht imstande oder willens, seine Heimatstadt touristisch zu unterstützen.
Was meinen Sie da konkret?
Witzmann: Warum öffnet man das Thermalbad nicht schon zu Ostern, wenigstens wenn späte Ostern sind – so wie heuer Mitte April? Da sind viele Touristen da und stehen vor verschlossenen Toren. Ebenso spricht nichts dagegen, während des Weinherbstes im Oktober das Bad noch offen zu halten, wenigstens ein Becken. Das würde sicher einige Ausflügler nach Vöslau locken.
1896 eröffnete das Stefanie als Sommerfrische-Hotel. Wie haben sich eigentlich die Gäste in den folgenden 100 Jahren entwickelt? Bemerken Sie eine Veränderung?
Witzmann: Wir haben vier Zielgruppen: gehobenen Bustourismus, Geschäftsreisende, kleine Seminare und die Wienerwaldliebhaber. Es gibt auch eine Zunahme an kunstinteressierten jungen Leuten, was mich besonders freut. In unseren Räumlichkeiten hängen Bilder der modernen Künstlerinnen Casaluce-Geiger und Christie Astuy.
Wie wird sich das „Stefanie“ weiter entwickeln?
Witzmann: Wir planen, unseren 5000 Quadratmeter großen Garten in einen Relaxing-Bereich umzugestalten, mit viel Grün, mit einem kleinen solarbeheizten Schwimmbecken und mit Kunst. 2012, bei der großen Landesgartenschau, wollen wir dabei sein. Und wir haben dann sicherlich den natürlicheren Garten als den Jägermayerpark beim Kurzentrum, der zwar die Plakette „Natur im Garten“ trägt, aber absurderweise über einer Tiefgarage steht. Wir werden weiter unseren Weg gehen – und auf Qualität statt Quantität setzen.