Aufhören oder nicht? Das ist für Treppenläufer Rolf Majcen derzeit die Frage aller Fragen. Kürzlich wurde er 46 – und läuft und läuft und läuft…
Aber: Trotz einer gewaltigen Erfolgsserie setzt sich „Realist“ Rolf Majcen mit seinem Karriere-Ende auseinander. Doch so einfach ist das für einen Vollblutsportler wie ihn nicht, verrät er im Sommergespräch mit Gabriela Stockmann.
Was treibt einen Mann auf die höchsten Gebäude der Welt?
Majcen: Vielleicht, weil ich vor 15 Jahren aus der Bergwelt der Steiermark nach Wien gezogen bin. Plötzlich waren da keine Berge mehr. Also hab ich die Hochhäuser gestürmt.
Ist ein Gipfelsieg im Hochhaus mit dem auf einem Berg vergleichbar?
ROLF MAJCEN: Nein. Ein Hochhaus, das du bezwungen hast, gehört dir irgendwie. Es ist berechenbar. Ein Berg, auf dessen Gipfel du gestanden hast, hat immer noch viele Geheimnisse.
Du bist jetzt 46. Ist Älterwerden und Leistungsverlust ein Thema?
ROLF MAJCEN:Jeder wird älter, das muss man akzeptieren. Es ist Unsinn, mit aller Verbissenheit an jugendliche Erfolge anknüpfen zu wollen. Das geht nicht.
Aber du läufst doch immer noch ganz Jungen davon?
ROLF MAJCEN:(lacht) Ja, und das gibt mir auch etwas. Ich kann fast alle Treppenläufer der Welt bezwingen, auch wenn sie 20 Jahre jünger sind als ich. Aber während sich ein Junger die nächsten Rekorde zum Ziel nimmt, heißt mein Ziel: Aufhören.
Ist das schwer?
ROLF MAJCEN:Einfach ist es nicht, es ist so, als würde man einen Freund, eine Freundin verlieren. Ein Verlusterlebnis eben. Und es ist nicht einfach, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Denn immerhin beschert mir ein Treppenlauf immer noch Erfolgs- und Glücksmomente. Und der Sport beginnt gerade zu boomen. Vor zehn Jahren gab es weltweit 40 Treppenläufe im Jahr, mittlerweile sind es 200. Und es werden vor allem in Asien immer mehr. Interessant wäre ja auch das höchste Gebäude der Welt in Dubai.
Also werden wir wohl noch öfter von deinen Erfolgen lesen dürfen. Musst du wegen deines Alters extra mehr trainieren?
ROLF MAJCEN:Nein, das will ich nicht. Ich will so lange laufen, wie es gut ist. Für mich, für meine Familie, für die Arbeit. Es ist ein Sport, der sich zeitmäßig gut managen lässt.
Das Training ist also nicht besonders zeitraubend…
ROLF MAJCEN:Möglicherweise spielt da Erfahrung eine Rolle. Ich weiß, wie ich die vorhandene Zeit sinnvoll nutzen kann. Treppenlauf-Trainings kann ich gut auch an meinem Arbeitsplatz im Galaxy-Tower in Wien absolvieren und erspare mir allein dadurch schon viel Zeit, weil ich nirgendwo hin fahren muss.
So einen Turm hochzulaufen, dauert ja eigentlich nur wenige Minuten. Woher kommt deine jugendliche Sprintkraft?
ROLF MAJCEN:Meine besten Zeiten habe ich im Bereich bis eineinhalb Minuten und dann wieder ab vier Minuten. Ich glaube, dass ich in punkto Taktik und mentale Verfassung Jüngeren gegenüber Vorteile habe. Ich analysiere alle meine Wettkämpfe gründlich, bin selbst mein bester Trainer.
Gibt es sowas wie eine Weltrangliste?
ROLF MAJCEN:Ja, inzwischen schon. Meine beste Platzierung war Nr. 6, im Jahr 2010. Inzwischen bin ich um ein paar Plätze zurückgefallen. Das hängt damit zusammen, dass manche Läufe punktemäßig besser bewertet sind, und die laufe ich nicht mehr, weil ich nur wenige Läufe wiederholen mag.
Im Herbst auf den Donauturm – da bist du aber dabei?
ROLF MAJCEN:Ja, der Donauturm ist einer der wenigen Türme, die ich schon oft hochgelaufen bin. Auch im Zuge des Trainings.
Jetzt, wo wir hier sitzen, ist es gerade extrem heiß. Welche Temperaturen liegen dir?
ROLF MAJCEN:Viele Türme sind klimatisiert. Von daher ist Temperatur kein großes Thema. Es sei denn, du läufst in Bangkok die 2060 Treppen und 84 Stockwerke des Bayoke Sky Hotel. hoch. Das dauert 12 Minuten, ohne Klimaanlage. Das ist dann schon eine Qual. Ich hab es schon lieber kühl.
Was denkst du während du hochläufst?
ROLF MAJCEN:Vorher bin ich angespannt. Aber ab dem Startschuss ist mein Kopf leer, da läuft das Überlebensprogramm. Die letzten zehn Stockwerke sind extrem, da tut schon alles weh und dann motiviere ich mich manchmal, dass ich an jemand Wichtigen denke. Da hole ich die letzten Reserven aus mir raus, schreie auch dabei.
Und das macht echt Spaß?
ROLF MAJCEN:(lacht) Ja! Ich bin ein Wettkampftyp. Solange ich diesen Kick spüre, fällt es mir halt auch schwer aufzuhören.
Außer Treppenlauf bist du ja auch Radmarathons gefahren und hast – besonders hart – Wettkampf-Skibergsteigen betrieben. Was lernst du vom Sport fürs Leben?
ROLF MAJCEN:Sehr sehr viel. Zum Beispiel auf ein Ziel hinzuarbeiten und es zu erreichen. Zum Beispiel aus einem Tief herauszukommen. Jedes Training ist letztlich ein Tief, und der Erfolg im Wettkampf ist der Lohn, die Erlösung. Ich habe aber auch gelernt, in Zeiten des Überflusses und der Bequemlichkeit freiwillig Entbehrungen auf mich zu nehmen. Es tut mir gut.
Apropos Entbehrungen. Wie hältst du es mit der Ernährung?
ROLF MAJCEN:Da bin ich ganz normal. Ich bin ein Pizza-Fan. Am liebsten ist mir die Hawai mit Ananas und hauchdünn geschnittenen Schinkenblättern. Aber auch sonst esse ich, was mir schmeckt. Ich zähle keine Kalorien, und habe seit meinem 18. Lebensjahr immer das gleiche Gewicht. Auch auf Süßes habe ich Lust, soll‘s aber nicht unbedingt essen. Schokolade macht müde.
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